"Does the body rules the mind
or does the mind rules the body
I don’t know" ( Morrissey, Still Ill)

"Sie war jung, hübsch und katholisch."

"Wohl mehr ‘ne Standpunktfrage!"

"War es die Kunst, Leiden zu inszenieren?"

"Ja- ins Papier genagelt, mit viel Haarspray fixiert und verwischt; eine Biographie der Enttäuschung."

"Sie hatte vor dem split einen Film über’s Schnarchen gesehen. Weißt du, was für Gründe für’s Schnarchen genannt wurden!"

"Was denn? Intelligenz und übermäßige Potenz!"

"Nein, Übergewicht und Bluthochdruck."

Anfang der Achtziger wurden die dritten Programme schon als ein bedenkliches Maximum der kulturellen Vielfalt interpretiert. Für das WDR galt dies wohl nicht zu unrecht....

‘I wanna love you but Im going blown away’. So dröhnt es, alle Regler nach rechts, aus dem Zimmer. So saß er dort, betrunken und selbstverliebt, auf der Toilette. Dachte, was Kundera über’s kacken schrieb. Agnostizismus haßte sie weiterhin, hatte sie in seinen Tagebucheintragungen immer und immer wieder ‘feige charakterlose Fotze’ genannt und trotzig an viel zu viel berauschende Ficks mit ihr gedacht, obwohl er damals noch mit ihr schlief; er wertete im Nachhinein ab, nicht wägte. Den Rauch der filterlosen Zigarette inhalierend, überlegte er, ob sie an dem Sonntag, dem Tag, an dem sie ihren schlechten Subkultur-Akt zelebrierten, nicht doch nur seinen Körper wollte. Er stand auf, zog die Toilettenspülung und betrachtete im Spiegel, affig goldumrandet, seinen alkoholgeschwängerten Leib. Nein- sie konnte nicht seinen Körper gewollt haben und in Sachen Liebhaberqualitäten konnte er auf dreimonatige Selbsterfahrungskurse im Badezimmer zurückblicken. Und doch- in einem Anflug kafkaesken Selbstbewußtseins war er der Meinung, daß sie sich nach seinen Bettrobinsonaden sehnte. Wahnsinn ist der vergessene Weg, Überschätzung auch- er war besser, besser? Vive la Différence! Ein schlechter Fick! Sie, Ex-Freundin, kam und setzte sich lasziv auf sein Bett, natürlich ungemacht und - bezogen. Denkend, er sein gegen sie immun - eine trotzige Illusion - wurde er von einer Nervosität erfaßt, die nicht mehr von dieser Welt sein konnte. Eine Libelle, grün-blau schimmernd, fliegt ins Zimmer und beendet ihr Leben in der Hängelampe a la Gelsenkirchener Barock, knisternde, verbrennende Insektenkörperlichkeit! Sie sitzt auf seinem Bett. Er grinst dümmlich, in ihm eine Mischung aus prophetischer Überlegenheit, Masochismus und Geilheit. Er wird mit ihr ins Bett steigen und das weiß er auch. Und da ist immer noch die Allgegenwart seines Grinsens. Sie fragt, das Grinsverbrechen auch vollziehend, was er denke. Er antwortet lügend: "Der Kopf ist leer." Sie will auch mit ihm schlafen, dies ist gewiß; er wägt ab- ist nicht über die Trennung hinweg, sondert irgendeine Floskel ab. Vermutlich aus einem Deutschen Film, die einzige Sprache, die das Wort "Milieuproblemstudie" kennt. Und "Mutter der Volkheit". Sie bemerkt ungefragt, daß sie noch nicht mit ihrem neuen Freund geschlafen habe. Er glaubt ihr nicht, sie hat ihn schon zu oft angelogen, zu recht, er sagt ihr, sie sei schon drei Monate mit ihm zusammen, teilwiedervereinigtes Umfeld ihrer rheinischen Begegnung; er wurde schon nach drei Tagen von ihr verführt. Ins Bett gezogen. Er guckte sie begehrlich an. Sie küßte ihn kurz auf den Mund. Augenaufschlagend (lazsiv) sagte sie, "Du kannst mich ficken, wenn du mich liebst."

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Und ein bevorstehender Akt im Dunstkreis eines verschmorten Insektenkadavers. Ahnend, daß es ein Fehler wäre mit ihr zu schlafen, ein guter, er liebt sie noch und meint dies auch so, beschließt es zu tun. Vielleicht liebt er sie noch, vielleicht nicht. Die sieben Todsünden: Verstöße gegen die Gebote der Demut, Geduld, Liebe, Mildtätigkeit, Keuschheit, Mäßigkeit und Andacht. Scheiß’ was drauf! Es ist eben die Kunst, Leiden zu inszenieren. Abwandlungskempowski summt "Und deine roten Haare machen mich so sentimental, rote Haare!"; leise, vor sich hin und denkt daran, daß er gerade die Leichtgläubigkeit seiner anderen Freundin, der Brücke, ausnutzt. Die ganzen Verletzungen und die gekränkte Eitelkeit die sie ihm zufügte, vergessen. Eher verdrängt, aber wen interessiert das schon. Außerdem sieht er in diesem Geschlechtsverkehr die Möglichkeit, ihren Freund zu verletzten und das entbehrt bei allen Schmerzen nicht einer gewissen Pikanterie. Dann will er etwas überlegenes sagen- und was sagt er:

"Willst du nicht meine Geliebte werden? So ein richtig nettes Viererverhältnis, mediterran, mit all den schönen Dingen, die dazu gehören. Lügen, betrügen, verletzen."

Fernsehserienverbitterter Zynismus in den Worten mitklingend, worauf sie ausweichend antwortet:

"Ich könnte mir gut vorstellen, mit dir zu schlafen."

"Ich wußte es", er reflektiert, schrieb einen Tag vorher in eine Chinakladde, 2,50 DM im Kaufhof:

"Jawoll, ich werde das Arschloch mimen. Daphne, ich werde ihr sagen, daß die andere nur ein Notstopfen ist (wär’ sie das einmal), und wenn sie gleich anruft, sag’ ich ihr, für die würde ich alles tun und sie uff Händen tragen oder/ und für meine Ex-Freundin aufgeben. Klasse, nicht? Gute Inszenesetzung. Außerdem schaffe ich damit eine prekäre Zwischen-den-Stühlen-Situation, ohne die ich gar nicht mehr leben kann. Ein Hoch auf die Ambivalenz!".

Sie gehört zu ihm, die verschobene Affenfresse. Natürlich kann Prognosebeischläfer sich eben dies in Realität und nicht nur auf dem Papier vorstellen. In einem Brief den er ihr, sinnberaubt, noch am selben Abend schreibt, bezeichnet er Sex mit ihr nicht als Triebabbau, sondern als religiöses Ereignis. Eine bemerkenswerte Halbwahrheit. Falsche rückwärtsgewandte Sentimentalität und wenig Flüssigkeits-austauschbekanntschaften machten dies möglich. In erster Linie ist er Frontkämpfer wider ihrem Freund, die sie ihm wegnahm, in Ejakulationsgewittern, die alles nicht rechtfertigen. Die Frage, ob Menschen ‘weggenommen’ werden können oder etwas, was einem nicht gehört, muß hier nicht gestellt werden. Gedanken sind vergangen, sein Unterleib zuckt. Diesen Moment wird er, Kamerad Zuckmayer, irgendwann in einer unnötigen Aufzeichnung als kritikloses Denken an den eigenen Schwanz bezeichnen. Zuckende Unterleiber, sie geht ihm direkt in die Hose, Freiheitsgefühl besser als Marlborowerbung, sie will ihn haben. Er denkt an den Nachmittag nach einem Bierfest, an dem sie ohne Slip den Angetrunkenen im Minirock nach Hause begleitete, nachdem er sich mit einem Fußballhooligan zugezogen hatte. Sich einhändig seiner Jeans entledigend, manipuliert er mit der anderen in ihr. Er mag die Welt nicht, doch in solchen Momenten kann sie einem fast gefallen. Ein blaues Pferd reitet über seinen Rücken und eine tätowierte englische Untergrundpoetin sitzt darauf. Fickrodeo. Schwarze Explosionen und weißes Fleisch. Der Sohn der Rückkehr der blutigen Nudeln. Seine Gedanken sorgen dafür, das er sich irgendwann in einem Lager für heterosexuelle weiße Männer mit Unionsparteiausweis wiederfindet. Sie zieht ihre Hosen herunter, nicht aus. Sein Penis ist nicht so hart, wie er es sollte und er auch. Sie massiert ihn, er zieht den blütenweißen Slip in Knienähe. Dann begutachtet er ihr Geschlecht, ihre rotblonde Scham, die er fast vier Monate nicht mehr sah. In der kräuseligen Haarausfallrealität. Jetzt bitte keine Gedanken mehr. Sofort bedauert er es, daß er seine Hand ein paar Sekunden von ihr nahm. Sie verliert enorm viel Flüssigkeit, das Wunder der Frauen, sie verlieren soviel sie wollen, er interpretiert es als Zeichen ihrer starken Erregung und diese bringt seinen Penis zum stehen. Dann die Vereinigung, eine langweilige Sache wie eine Ganzschrift, rein, raus, mechanisch. Hosen in Kniekehlen, Oberteil auf halb acht um ihre imposant großen doch wenig festen Brüste zu küssen, obwohl sie dies nicht will?! Während er sich auf ihr bewegt, stellt er sich außerhalb des Körpers als Betrachter das groteske unerotische Bild vor, das beide abgeben. Unattraktivität bitte an der Garderobe abgeben. Sie trägt Springerstiefel und eine dicke Strickjacke. Es ist doch heiß genug. Sie meinte einmal, als beide noch ein Paar waren, daß sie nur mit jemand schliefe, wenn sie ihn liebe und das war er, Vergangenheitsjovialmann. Innenwelt - Außenwelt. Seine Er-Innerung (reite tätowierte Liebste, reite!) beschränkt sich auf die unzähligen Orgasmen, die er ihr schenkte und derer er sich nie sicher war. Auf einmal bittet sie ihn, den Geschlechtsverkehr zu beenden, sie habe Schmerzen, ihr tue etwas weh. Er hört auf. Sie. Sie zieht sich an, aus den Knien schießend, sagt: "Ich fahre jetzt. Zuviele Gedanken. Ich muß ..."

Tall and tan and young and lovely

The girl from Ipanema goes walking

And when she passes, each one she passes goes - ah

When she walks, she's like a samba

That swings so cool and sways so gentle

That when she passes, each one she passes goes - ooh

(Ooh) But I watch her so sadly

How can I tell her I love her

Yes I would give my heart gladly

But each day, when she walks to the sea

She looks straight ahead, not at me

Ergriffenheit, wie ekelerregend. Sie will er behalten bei sich, doch er denkt, es ist vernünftig, sie fahren zu lassen. Sie geht, gibt ihm vorher noch einen Brief in einem braunen Din-A-5-Umschlag und verspricht, sich morgen oder übermorgen bei ihm zu melden. Versprechen bedeutet ‘Versprecher’. Sie wird sich nicht mehr bei ihm melden und nur der auktionale Erzähler weiß dies jetzt schon. Nicht aber er, denn er ist naiv genug es zu glauben- nein zu hoffen. Als sie dann unendlich weg ist, liest er den langen Brief voller grammatikalischer Übertritte, denkt nicht daran, Notstopfen mit seiner Ex betrogen zu haben. Doch zählt ein coitus interruptus, weiß sie das schon? Während des Aktes ließ sie sich nicht von ihm küssen, eine Verhaltensweise, wie sie bei Prostituierten zu befinden ist. Aber wie kann er die kranke Selbstbestätigung verdrängen, die da ist! Zwei Frauen wollen ihn oder bemühen sich zumindest um ihn und lassen es ihn glauben; gottgewollte Naivität versus Strickjackenspringerstiefelhaarband. Mit zitternden Händen - Emotionen verrückt statt nicht gehabtem Höhepunkt, beginnt er einen achtzehnseitigen Brief an die Exfreundin. Denkt dran, daß sie auswarf, sie sei nur mit dem anderen zusammengekommen, um zu sehen, ob sie noch auf andere Männer - oder die, die sich dafür halten - wirke. Sie log. Hoffentlich. Silberstreifhoffen, daß sie ihn liebt, alles andere wäre fatal. Nicht kompliziert, denn Leiden satt garantiert. Das Amüsante, daß ihr Freund bis zum Zeitpunkt ihrer Trennung ein guter Bekannter von ihm war, ist wie einer unterklassigen französischen Komödie entnommen, gehört aber dazu, den sonst wäre es nur die Hälfte wert. Er war in einer EBM- Diskothek, als er es von Dritten erfuhr und Schwarzhaariger Nasenring tröstete ihn mit der Zunge. So schwer und schön fällt es, das gute Plot zu akzeptieren. Noch an diesem Tag rief er- er - völlig voll um halb Vier morgens bei ihr an und stellte sie zur Rede, soweit ihm das noch gelang. Sie versprach abends zu ihm zu kommen. Sich zu erklären. Erklärungen sind für Verlierer, Kampfansagen ("das wird ein heißer Tanz") nicht. So saß er den ganzen sonnigen Tag am Küchenfenster und harrte ihrem Kommen, sie kam nicht und das erregte ihn. Ein falsche Berührung und er wäre gekommen, weil sie es nicht tat. Eigenartig libidiös diese Wissen um die eigene Versetzung. Dann war er doch fassungslos enttäuscht und traurig - eine Verletzte Traurigkeit aufgrund ihrer eigenartigen Feigheit. Das man sich so in einem Menschen irren kann, von dem man hofft ihn zu kennen - kennen!- wollte er nicht glauben doch sah Grund genug, mit Duncan, Dugal und so Biere zu nehmen, sich zu suhlen in Mitleid. Das hätte er ihr nie zugetraut und wieder muß der scheißende Hund bemüht werden. Ein toller Augenblick nach dem bierseligen Telephonat. Die Beschreibung dieses Moments mit absoluter, ahnungsloser Fassungslosigkeit ist unzureichend, aber egal. Die Sekunde nach dem Telephonat, das Ende eines Lebensabschnitts der nicht aus der Hand gegeben werden will wie eine besetzte Zehn beim Tuppen. Denken und Wille zur Selbstdarstellung in trinkklischeebehaftetem Existenzialismus für Zeiträume, die nur er bestimmt. Er ging auf die Straße. Es war in der Früh und wollüstig dunkel. Hätte man die Vorankündigung gegeben, daß ihn ein Ortsgespräch derart desillusionieren könne, er hätte laut gelacht. Die Stille war so bedrückend nicht. Alles so ruhig, früher Sonntagmorgen in einer langweiligen Stadt und einer Republik, die rotieren müßte doch in Starre des Abgesangs auf die Ostzone verfällt. Schrecklich. Anruf beim Dritten Mann: "Ich mach’ dich fertig, ich mach’ dich weg, ich hau dir die Maskerade ein, ich klopp’ dir auffe’ Zwölf du mieser Wichser!" Nein, er wollte Mitteleuropäer bleiben und dies blieb er für Monate bis zu einem unguten Aufrtitt vor dem "Chaos". Und dann - oh nein!- dann waren da Tränen, Tränen die rausmußten und ich bin nicht sicher ob es sich hierbei noch um Koketterie handelte.

"Du schriebst zur falschen Zeit den falschen Brief. Natürlich wurdest du ein tragischer Held."

"Ich werde sie zerteilen"

"Siezen sie mich nicht!"

"Doch. Das Schwert der Unartigkeiten ist schon bestellt!"

"Eines Tages bricht die Mauer, die du dir aufgebaut hast, Tunichtgut!"

Diese Worte an Duncan gerichtet. Wäre der diensttägliche Abschiedsbrief nicht gewesen, ihr wärt immer noch ein Selbstzerfleischerpaar. Doch, bei allem Trennungsschock und Kummerphase- weißt du überhaupt, wie wertvoll die Erfahrungen sind, die du sammeln durftest? Und das du eine weitere Schlacht gegen dein Oberflächlichkeits-Ich gewannst? "Laß uns einfach einen machen!" So nonchalant kündigte er den tausendfachen Gehirnzellengenocid an. Im Verlaufe des Abends wollten sie einem Ostafrikaner erklären, daß sie mit ihren zwanzig Jahren zu alt seien, sich "Neue Bundesländer" für "Ostzone" anzugewöhnen und das Nordrhein-Westfalen ein Vielvölkergefängnis sei, entstanden aus Zentral-Trizonesien. Es wurde also wieder viel Unsinn in der Bierschwemme gesprochen. Und es gab wichtige Fragen auf dem Nachhauseweg. Existiert Gott? Was ist der Sinn des Lebens? Ist noch ne Flasche Diebels da? Junge Muntanten; ein weiteres Herz am Scheideweg- was zu tun? Eine extrovertierte Beziehung mit einer 24-jährigen großbrüstigen Literaturstudentin- oder eine 19-jährige, rückgratlose Egoistin? Auf jeden Fall müssen mal wieder Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden. Alles zu seiner Zeit. Es klingt albern- Bereitschaft zum tapferen Trotzdem in einer gottlosen Zeit. So weit wird es nicht kommen. Es ist einfacher zu haben: drei Wochen später trennte er sich von seiner Freundin. Irgendwann muß man ja ma’ anfangen, ehrlich zu sein. Zumindest zu sich. Sex ‘n’ Drugs ‘n’ Selbstmitleid. Und er wollte der kompromißloseste Bohemién seit Oscar Wilde sein...

Was folgt, sind vertrunkene Tage mit Dialogen folgender Güte:

"Ich konnte mich auch nicht an Elvis ohne Kotletten gewöhnen!"

"Wann trug Elvis keine Kotletten?"

"Von 1961 - 1968! Er sah aus wie ein tasmanischer Karusselbremser.

"Diese Riesenkästen sind einfach nicht kontrollierbar."

invasion.jpg (10431 Byte)

(Hier wieder eine Kampfszene einfließen lassen....)